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Ansichten und Gedanken einer langjährigen Betreuerin zum eigenen Beruf

25. September 2021

Überblick:

Der Beruf des Bertreuers bzw. der Betreuerin ist ein besonderer. In diesem Artikel gibt eine Betreuerin einen persönlichen Einblick in das Berufsfeld und was es mit sich bringt.

Zwei Jahrzehnte Tätigkeit Rechtliche Betreuung in selbstständiger Tätigkeit sind nicht in kurzen Erklärungen zusammenzufassen, wenn es um ein Statement zur Entwicklung geht.

Die Gedanken wurden formuliert mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und einem Augenzwinkern gleichermaßen. Die fehlende geschlechtliche Unterscheidung der Berufsgruppen soll hier rein zur Vereinfachung dienen.

Die folgenden Ausführungen entsprechen meiner persönlichen Auffassung. Sie sind dem Umstand geschuldet, dass beruflich erfahrene Kollegen meinen Quer-Einstieg in die fachliche Tätigkeit und in die Selbstständigkeit begleitet haben sowie einer langjährigen Bürogemeinschaft, die drei Generationen mit dem nötigen Mut, Herzblut und Teamgeist vereinte.

Die Rechtliche Vertretung erwachsener Menschen aller Altersgruppen sowie aller möglichen und denkbaren Beeinträchtigungen an Gesundheit und Lebensumständen, ist ohne berufliche Vorerfahrung und ein "gerüttelt Maß" an Lebenserfahrung, charakterlicher Stärke, Selbstbewusstsein, Teamgeist, Liebe zu den Menschen, Hingabe, Kompromissbereitschaft und Toleranz nach dem Motto "Leben und leben lassen", rascher Auffassungsgabe für katastrophale Lebensumstände, Erfahrungen im Krisenmanagement, prognostischer Fähigkeiten bei einem hohen Erfahrungsschatz der gewachsenen, aktuellen und sich fortsetzenden Gesetzgebung, der annähernden Kenntnis des rechtlichen Betriebes örtlicher und/oder angrenzender Bundesländer, funktionierender Netzwerkarbeit mit allen öffentlichen Ämtern und Behörden, der nötigen Durchsetzungskraft und Geschicklichkeit im Umgang mit tangierenden Berufsgruppen, wie Ärzten, Gutachtern, Richtern, Rechtspflegern, Anwälten aller Fachrichtungen, Banken, Versicherungen, Inkasso-Unternehmen, Vermietern, Krankenkassen, sozialer und medizinischer Dienste und Einrichtungen, etc.,  bei Beherrschung moderner Bürotechnik inklusive motivierter Mitarbeiter ohne radikale Zeiteinteilung und Abgrenzung zu Themen außerhalb der Aufgabenkreise nicht möglich. Dieser lange Satz spiegelt inhaltlich nicht annähernd die Anforderungen an den geforderten Allrounder. Dies sage ich nicht aus Überheblichkeit, sondern aus Respekt vor all denen, die sich wagemutig tagtäglich diesen Ausnahmesituationen mit altruistischem Verhalten stellen wollen.

      
Der Beruf ist hochinteressant und spannend. Er (ver-)formt die eigene Persönlichkeit, lässt lernen, wie Leben für einzelne Menschen und im gesellschaftlichen Verbund, wie Familie, Gruppen, etc. funktioniert.

Das Führen Rechtlicher Betreuungen trainiert das unbedingte Fokussieren auf Wesentliches ebenso wie die Akzeptanz von Lebensumständen mit einem Höchstmaß an Toleranz für alles andere als das eigene Leben und die eigene Meinung.

Die immensen Veränderungen der Gesellschaft spiegeln sich in der Arbeit des Rechtlichen Betreuers in direkter Weise. Tempo und Inhalte der Entwicklungen in jeder Richtung, Werte- und Gesetzeswandel bedingen ein Höchstmaß an Präsenz und Umsetzung.

Eine massive Zunahme der völlig überbordenden Bürokratie in allen Lebensbereichen zwingt den Tätigen für die sich ebenso rasant verändernde Klientel (Insider wissen, was hier gemeint sein könnte) seit Jahren zunehmend mehr an den Schreibtisch, an Fernsteuerung von schwierigsten Lebensumständen und Prozessen, an Kommunikationstechniken ähnlich einer Rettungsleitstelle mit hoffentlich angenehmen Rückzugsmöglichkeiten und den Kraftoasen zum Highspeed-Auftanken.

Wer den Beruf des Rechtlichen Betreuers ausüben will, muss es mögen, heute nicht zu wissen, was er ggf. morgen arbeiten muss.

Es bedarf unbedingt der Bereitschaft für die stetige Aneignung von Fach- und Gesetzeswissen sowie die eigene Vernetzung und Organisation auf Verbands- oder zumindest Arbeitskreisebene.

Weil auch die Akzeptanz des Betreuers meist gegen alle menschlichen Vorbehalte und persönliche Widerstände erarbeitet werden muss, ist der Faktor Zeit beim Klienten das höchste Gut.

Die Einlassung beider Seiten auf stets neu zu definierende Ziele macht die Dynamik aus.

Der Klient im Mittelpunkt der Tätigkeit bestimmt die Aufgabenstellung im individuellen Ansatz ebenso wie die Abfolge von Routinen.

Die Bedeutung des Rechtlichen Vertreters zur Wahrnehmung von Rechten bricht sich nicht selten an den Interessen der betreuten Person oder schlimmer am Umfeld oder Verwandten.

Im Spagat zwischen Wunscherfüllung und Eingrenzung anhand der streng budgetierten Möglichkeiten können die täglichen Zerreißproben dennoch ein Höchstmaß an persönlicher Anerkennung und Zufriedenheit für den Arbeitsalltag sein, auch das ist nicht zu unterschätzen und sollte man mögen.

Wer diesen Job lange Zeit durchhalten will, braucht zuerst die Fähigkeit für eigenes Management und wird ungeachtet eigener Lebensvorstellungen auf dem gesellschaftlichen Karussell Stehvermögen und Schwindelfreiheit üben müssen.

 

Anonym

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